Erste Frühlingsboten im Guldenbachtal bei
Stromberg/Hunsrück
- u. a. mit Besuch eines
großen Vorkommens des Märzenbechers (Leucojum vernum) -
anschließend Fahrt zum Standort des endemischen Schneeglöckchens (Galanthus
nivalis L. "Scharlockii") bei der Trifthütte im Soonwald
Exkursion am Samstag, 05. 04.2003
Führung: Hans Faus, Guldental
Scharlocks Schneeglöckchen (Galanthus nivalis var. scharlockii)
Erste Frühlingsboten in der Umgebung von Stromberg/Hunsrück
Obwohl miserables Wetter angekündigt
war, kamen am 20. März fast 20 Teilnehmer nach Stromberg, um unter Führung von
Hans Faus (Guldental) interessante Frühblüher der heimischen Flora
kennenzulernen. Um es vorweg zu sagen: Regen und Kälte blieben bis fast zum
Schluss der Exkursion aus. Wie so oft hatten wir wieder einmal Glück.
Der
vielseitig gebildete Exkursionsleiter hatte ein Gedicht parat, in der das
Dilemma des Monats März zum Ausdruck gebracht wurde: Man sehnt die größere
Blumenfülle des Mai herbei, möchte sie andererseits verzögert sehen, da die
ersten Frühlingsboten dann schon wieder vergangen sind. Damit war so etwas wie
das Motto der Wanderung vorgegeben: Mit relativ wenigen Pflanzenarten vorlieb
nehmen, dafür aber Objekte kennenlernen, die man in der üblichen Wandersaison
nicht zu sehen bekommt.
Dazu gehören
nicht nur seltene Frühblüher, sondern auch frühe Entwicklungsstadien bekannter
Kräuter und Gehölze. An vielen Stellen machte Hans Faus Halt, um auf
Blattrosetten und Keimlinge hinzuweisen oder auf Rinden- und Knospenformen von
Bäumen. Im Wald waren die Holunder- und Weißdorn-Arten mit dem Austrieb der
Blätter am weitesten voraus, und auch die Knospen des Spitzahorns begannen
sich schon zu öffnen.
Erstaunlich,
wie viele Pflanzen sich schon lange vor ihrer Blüte erkennen lassen, wenn man
entsprechende Erfahrungen gesammelt hat. Manchmal blieb es allerdings bei
Diskussionen darüber, was aus diese oder jener Keimpflanze wohl werden
möge.
Nun aber zu
den schon blühenden Kräutern. Sowohl in Gärten als auch entlang dem Guldenbach
waren zahlreiche Trupps von Schneeglöckchen zu sehen. Manche davon wirkten
wegen ihrer Größe wie Gartenformen. Sie sahen alle aus wie Zuchtformen des
Gewöhnlichen Schneeglöckchens (Galanthus nivalis) mit seinen etwas
abgespreizten äußeren Blütenblätter. Exemplare, die einer der exotischen
Schneeglöckchen-Arten (Galanthus elwesii, G. gracilis etc.) zuzuordnen
wären, gab es nicht zu sehen.
Weiter
abwärts im Guldenbachtal blühten im Auenwald folgende Arten: Wald-Gelbstern
(Gagea lutea), Dunkles Lungenkraut (Pulmonaria obscura),
Blaustern (Scilla bifolia) und Immergrün (Vinca minor). Vom
Ausdauernden Silberblatt (Lunaria rediviva), einer Zeigerart der
Schluchtwälder, waren die vorjährigen Früchte, genauer gesagt ihre
silberglänzenden Scheidewände, zu sehen.
Bald war die
Hauptattraktion der Wanderung erreicht: das größte Vorkommen des Märzenbechers
(Leucojum vernum) im Nahe-Hunsrück-Gebiet (32:4124 E, 55324) N. Hans
Faus hatte schon zuvor umfassend über diese Pflanze, ihre Verbreitung in
Deutschland, giftige Inhaltsstoffe und über weitere Märzenbecher-Arten
informiert und dazu auch Merkblätter verteilt.
Nach dem
Mittagessen in einer Stromberger Pizzeria ging es kurz zum Dörrenbachtal, wo
über geologische Besonderheiten (z. B. Bachversickerung), die
Umweltproblematik des benachbarten Kalksteinbruchs und über später dort
blühende seltene Pflanzenarten informiert wurde.
Dann fuhren
die Teilnehmer zur Trifthütte im Soonwald, wo eine seltene Varietät des
Schneeglöckchens, Galanthus nivalis var. scharlockii (Scharlocks
Schneeglöckchen) vorkommt (32:3961 E, 55255 N). Seine Entdeckungsgeschichte
ist eng mit unserer Heimat verbunden. Gegen Ende des 19. Jahrhunderts wurde
der Sobernheimer Apotheker Wandesleben erstmals in einem Garten auf die
Pflanze aufmerksam, und sein botanisch tätiger Kollege Scharlock aus dem
fernen Graudenz an der Weichsel sorgte dafür, dass die Pflanze der
Wissenschaft bekannt wurde. Der Königsberger Professor Caspary gab Scharlock
zu Ehren der Schneeglöckchenvarietät den Namen „scharlockii“.
Vom
gewöhnlichen Schneeglöckchen unterscheidet sich die Pflanze vor allem dadurch,
dass das Hochblatt am Grunde des Blütenstiels gespalten ist, wodurch bei der
Blüte gleichsam zwei Eselsohren in die Höhe ragen.
Das alles
erläuterte Hans Faus (wieder mit Hilfe von Merkblättern) unter dem Dach eines
Pavillons, da sich ab jetzt der Wetterbericht mit einsetzendem Regen und Wind
zu bewahrheiten begann. Auch der Besitzer der Trifthütte hörte aufmerksam zu,
um künftig Besucher auf die Schneeglöckchen-Kuriosität bei seiner
Ausflugsgaststätte hinweisen zu können.
Mit
Regenschirmen bewaffnet, betrachteten und fotografierten die Teilnehmer zum
Abschluss das seltsame Schneeglöckchen, das wahrscheinlich durch eine Mutation
aus dem gewöhnlichen Schneeglöckchen hervorgegangen und heute vor allem im
Gebiet von Nordfrankreich bis Westdeutschland verbreitet ist. Noch ungeklärt
ist, ob es irgendwo auch fernab von Siedlungen in freier Natur Fuß fassen
konnte. Wir bitten um Meldung, falls so etwas beobachtet wird. Bisher kennt
man nur Vorkommen in Gärten oder deren unmittelbarer Umgebung.
Dr.
Hans Reichert
Koordinatensystem: UTM
Zusammengestellt von Dr. H. Reichert