Hartgras (Sclerochloa dura)
Erste Exkursion im Jahr 2008
Das rheinhessische Tafel- und Hügelland ist dort landschaftlich am reizvollsten und ökologisch am vielfältigsten, wo es an das Nordpfälzer Bergland angrenzt und geologisch mit ihm verzahnt ist. Aus den tertiären Kalk- und Tonschichten ragen dort inselartig Vorkommen permischer Vulkangesteine auf. Während im Bereich des Tertiärs sanft geformte Hügel und Mulden sowie Plateauflächen vorherrschen, die wegen ihrer guten Böden fast durchweg landwirtschaftlich genutzt sind und eine recht artenarme Flora aufweisen, herrscht dort, wo Vulkanite zutage treten, große biologische Vielfalt. Dafür gibt es mehrere Ursachen. Das Relief ist dort lebhafter, und es gibt steile und felsige Hänge. Vor allem die Südhänge erwärmen sich im Sommer rasch, und es herrschen dort dann Temperaturen wie im Mittelmeergebiet oder in asiatischen Steppenregionen. Manche Hänge sind so steil und felsig, dass sie vom Menschen allenfalls für gelegentliche Schafbeweidung genutzt wurden. Dort blieben Trockenrasen erhalten, die in einer nacheiszeitlichen Wärmeperiode in Mitteleuropa weiter verbreitet waren und sich bei der nachfolgenden Klimaverschlechterung nur noch an solchen Felshängen halten konnten. In diesen Rasen sind viele Pflanzenarten anzutreffen, deren Verbreitungszentrum in den Steppengebieten Südosteuropas oder Asiens oder in den Randbereichen des Mittelmeergebietes liegt.
Die meisten dieser Biotope sind seit dem frühen 19. Jahrhundert in Botanikerkreisen bekannt, man kann sogar sagen berühmt. Einige wenige liegen so versteckt inmitten des monotonen Tertiärgebietes, dass sie erst spät entdeckt wurden. Dazu gehört das Aulheimer Tälchen bei Flonheim-Uffhofen. Das an dessen nördlichem Hang anstehende permische Vulkangestein Andesit war ursprünglich völlig von tertiären Ablagerungen bedeckt. Es wurde dadurch freigelegt, dass der dort fließende Bach ein Tal in die Landoberfläche grub und dabei die harten vulkanischen Gesteine aus den ziemlich weichen tertiären Ablagerungen sozusagen freipräparierte. Da dies innerhalb eines Tales erfolgte, das abseits der Verkehrswege liegt und von weitem nicht einsehbar ist, kannten bis in die Zeit um 1950 nur die Einheimischen die dortigen Felsbildungen und nutzten sie stellenweise als Steinbruch. Den bedeutenden Botanikern Ludwig Geisenheyner (1841-1926) und David Wiemann (1885-1948), die ansonsten das Nahegebiet wie ihre Westentasche kannten, blieb das Aulheimer Tälchen unbekannt.
Als
erster erkannte um 1950 der an der Volksschule Wendelsheim tätige Lehrer J.
Galle, ein guter Pflanzenkenner, den botanischen Reichtum des Tales. Er
informierte Alfred Blaufuss und der wiederum Dieter Korneck. Dieser schrieb zwei
Aufsätze (siehe unten) und machte das Aulheimer Tälchen damit der botanischen
Fachwelt bekannt.
Es
ist kurios, dass es nochmals ein halbes Jahrhundert dauerte, bis die
Pollichia-Kreisgruppe Bad Kreuznach und der Botanische Arbeitskreis Nahe-Hunsrück
eine Exkursion dorthin unternahmen.
Am
26. April 2008 war es so weit. Geführt von Robert Fritsch, erkundeten knapp 20
Exkursionsteilnehmer bei strahlendem Sonnenschein das Gebiet, das nicht nur
botanisch, sondern auch kulturgeschichtlich ein mediterranes Flair hat. In den
Weinbergen stehen hie und da die aus Süditalien bekannten Trulli, Weinbergshäuschen
mit kegelförmigem Dach. Sie wurden teils schon im 18. Jh. vermutlich von
italienischen Steinbruch-Gastarbeitern gebaut.
Da
die Biotope des Aulheimer Tälchens teilweise sehr empfindlich sind, soll nichts
Genaueres über die Exkursionsroute und die Fundstellen gesagt werden. Die
folgende Liste beobachteter Pflanzen macht deutlich, welche Fülle von seltenen
und gefährdeten Pflanzen hier auf engstem Raum versammelt ist.
In Klammern sind die Gefährdungsgrade
der Roten Liste beigefügt.
Alyssum
alyssoides
Kelch-Steinkraut
Androsace
elongata
Langstieliger Mannsschild
2
Anthericum liliago
Astlose Graslilie
Asperula cynanchica
Hügel-Meister
Carex humilis
Erd-Segge
Eryngium campestre
Feld-Mannstreu
Fragaria viridis
Knackelbeere
Globularia bisnagaria (punctata)
Gewöhnliche Kugelblume
2
Himantoglossum hircinum
Bocks-Riemenzunge
2
Minuartia fastigiata
Büschel-Miere
2
Myosotis
stricta
Sand-Vergissmeinnicht
Orobanche
amethystea
Amethyst-Sommerwurz
1
Oxytropis
pilosa
Zottige Fahnenwicke
2
Petrorhagia
prolifera
Sprossendes Nelkenköpfchen (Felsennelke)
Potentilla incana
Sand-Fingerkraut
Sclerochloa dura
Hartgras
2
Seseli
hippomarathrum
Pferde-Sesel
2
Silene
otits
Ohrlöffel-Leimkraut
3
Stachys
recta
Aufrechter Ziest
Stipa capillata
Haar-Pfriemengras
3
Stipa
joannis
Grauscheidiges Federgras
3
Teucrium
chamaedrys
Edel-Gamander
Teucrium
botrys
Trauben-Gamander
Veronica
praecox
Früher Ehrenpreis
Veronica
triphyllos
Finger-Ehrenpreis
Hecker, U. (1981):
Geschützte und schützenswerte rheinhessische Pflanzenbiotope. I. Die
Rabenkanzel bei Flonheim. - Mainzer Naturw. Archiv 19:
89-99, Mainz
Korneck,
D. (1956): Die Rabenkanzel bei Uffhofen - ein übersehener Steppenheidewuchsort
Rheinhessens. - Hess. Florist. Br. 5
(57): 1-3, Offenbach/M. -Bürgel
Korneck,
D. (1961): Das Aulheimer Tälchen in
Rheinhessen. - - Hess. Florist. Br. 10 (118): 55-56
Dr. Hans Reichert
Zusammengestellt von Dr. Hans Reichert